Pronomen und Dinge.

In gewisser Weise habe ich an meine Blogeinträge den Anspruch, dass die Gedanken darin soweit zu Ende gedacht sind, dass ich mir sicher mit dem bin, was ich schreibe, aber ich glaube, das ist gar nicht immer nötig, wenn es um persönliche Dinge geht.

Dieser Blog ist letztendlich vor allem für mich, weil es mir hilft, meine Gedanken zu sortieren und weil ich von Zeit zu Zeit gern in meiner eigenen Vergangenheit lese. Das bedeutet in erster Linie, dass hier auch Dinge festgehalten werden, die ich in Zukunft vielleicht nicht mehr so sagen würde, immerhin habe ich nicht vor, aufzuhören, mich zu verändern, mehr über mich herauszufinden und vielleicht später mal zu merken, was ein bestimmter Gedanke eigentlich bedeutet.

Dass ich mit diesem Blog meine Gedanken und meine Veränderungen mit dem Internet teile, heißt nicht, dass alles perfekt und richtig und fertig sein muss. (Ich glaube, Menschen sind nie fertig.)

Also gibt es heute einige unfertige Gedanken und ein bisschen Chaos, die schon seit Wochen in den Blogeintragsentwürfen herumgeistern.

 

Heute ist TransDayOfVisibilty. Ein wichtige Tweetkette dazu hat zum Beispiel @cuffedCatling geschrieben (anklicken und dann werden auch die anderen Tweets angezeigt).


Was hat das jetzt mit dir zu tun?

Seit einiger Zeit denke ich ziemlich viel darüber nach, was Gender für mich persönlich bedeutet und dabei habe ich gemerkt, dass es mir nicht so einfach fällt, diese Frage zu beantworten, wie ich vorher vielleicht gedacht hätte.

Kindern wird in der Regel beigebracht, dass eine Person mit Brüsten und Vagina eine Frau und eine Person mit Penis ein Mann ist und ich hab‘ das ganz lange einfach so hingenommen.

Wenn jemand gesagt hat, dass ich mich als Frau/Mädchen so und so verhalten oder anziehen oder aussehen müsste, hab‘ ich versucht, mich dem anzupassen, auch wenn es mir sehr oft nicht gefallen hat.

Als mich Menschen ärgern wollten, indem sie mich gefragt haben, ob ich ein Junge oder ein Mädchen bin, hat mir das Angst gemacht, weil das ja schließlich keine Option war.

Inzwischen weiß ich, dass ich nicht in die Vorstellungen der Gesellschaft passen muss, nur weil mein Körper so aussieht wie er aussieht.

Mein Brüste machen mich nicht zu einer Frau, sondern zu einer Person mit Brüsten. Mehr nicht.

Meine lackierten Fingernägel machen mich nicht zu einer Frau, sondern einer Person, die gerne bunte Fingernägel mag.

Umgekehrt machen mich meine kurzen Haare aber auch nicht automatisch zu einem Mann, sondern zu einer Person, die sich mit kurzen Haaren lieber mag.

Traditionell männlich/weiblich gelesene Dinge zu mögen bedeutet auch nicht automatisch, dass ich männlich oder weiblich bin.

(Ich wünschte, ich könnte dem Vergangenheitstasha sagen, dass es sich deshalb nicht fertig machen muss.)

 

Im Prinzip bin ich aktuell an einem Punkt, an dem ich mir ziemlich sicher bin, dass ich keine Frau bin, aber noch nicht weiß, was dann und ich habe gemerkt, dass ich mich auch nicht drängen muss, da ein Label zu finden, das für mich passt. Genderqueer/nonbinary ist aktuell das genauste, was ich über mich sagen kann, aber das ist okay. Für mich selbst brauche ich eigentlich auch keine Bezeichnung, weil mir persönlich Labels nicht so wichtig sind. Labels spielen für mich nur dann eine Rolle, wenn ich mich und meine Identität gegenüber anderen Menschen erklären möchte und soweit bin ich außerhalb meiner Twitter-Filterbubble sowieso noch nicht. Und auch sonst: Ich habe Zeit. (Zeit, die ich unter anderem dafür nutzen will, den internalisierten Cissexismus, den ich gegenüber anderen so gut ich kann vermeiden will, loszuwerden. Ich habe festgestellt, dass es mir leichter fällt, wenn es dabei nicht um mich geht.)

 

Und was ist jetzt mit Pronomen? 

In letzter Zeit haben mich schon ein paar Leute gefragt, wie es mit Pronomen aussieht beziehungsweise, welche Pronomen sie für mich verwenden sollen.

Da ich selbst noch nicht so lange über dieses Thema nachdenke und das Gefühl habe, Pronomen sind (für mich) zu einem Großteil Gewöhnungssache, sind sie/ihre-Pronomen weiterhin in Ordnung. Wenn ihr im Deutschen neutrale Pronomen für mich verwenden wollt, ist es für mich okay. (Anmerkung hierzu: Bitte benutzt es nie für eine Person, die das nicht direkt so gesagt hat. Es wird oft abwertend verstanden und nicht jede nonbinary Person möchte dieses Pronomen für sich verwendet sehen. Am besten einfach nachfragen, wenn ihr nicht wisst, welches Pronomen eine Person nutzt.)

Im Englischen ist she/her und Singular-they/them schön, weil es damit schon ein neutrales Pronomen gibt, das allgemein bekannt ist und verwendet wird, wenn das Geschlecht einer Person nicht klar ist.

Es kann sein, dass ich, wenn ich mich weiter mit diesem Thema beschäftige und mehr über mich herausfinde, merke, dass sich in meiner Ansicht zu Pronomen zukünftig etwas verändert, aber im Moment ist das hier der aktuelle Stand.

(Gedankenchaos im Internet verteilen? Check! (War das jetzt ein Coming-Out? Wie seltsam es sich anfühlt, für so etwas einen ganzen Blogeintrag zu nutzen und nicht nur gelegentlich Andeutungen in Tweets und Nebensätzen zu machen.))

[Pizza suchendes Tasha ab] 

 

Warum „Zähne zusammenbeißen!“ nicht hilft

„Musst halt mal die Zähne zusammenbeißen! Die drei Wochen, ich würd’s schon machen.“

So wurde heute auf meine Sorge, nicht genug Zeit für Unidinge (Hausarbeiten, Klausurvorbereitung etc.) zu haben, wenn ich in der vorlesungsfreien Zeit im Sommer arbeiten gehe, reagiert.

Ich verstehe, woher diese Aussage kam; immerhin habe ich mir selbst schon Ähnliches gesagt, aber leider hilft mir das nicht weiter.

Ich weiß, dass ich die Hausarbeit, die ich schreiben muss, auch in relativ kurzer Zeit geschrieben bekomme, wenn es sein muss.

Ich weiß, dass ich unter Druck meistens ziemlich gute Ergebnisse liefern kann.

Ich weiß, dass ich mich sehr gut fühlen werde, wenn ich am Ende des Monats das viele Geld, das ich verdienen werde, sehe.

Ich weiß, dass mir mein Sommerjob trotz Eintönigkeit und körperlicher Anstrengung, sexistischem Chef, aber vor allem wegen sehr netten Kollegen, die sich freuen, wenn ich wiederkomme, Spaß machen wird.

Aber:

Ich weiß auch, dass es schnell passieren kann, dass ich den gesamten Sommer damit verbringen werde, mir Sorgen zu machen, dass die Zeit aus irgendeinem Grund doch nicht reicht.

Ich weiß, dass ich jetzt schon Angst vor zwei Klausuren habe, die ich beim Versuch im Sommer definitiv bestehen muss.

Ich weiß, dass ich kein Semester mehr (zusätzlich zu den zweien) an die Regelstudienzeit anhängen sollte, weil ich mir das Studium nicht selbst finanzieren kann.

Ich weiß, dass ich nach dem Sommerjob ein bisschen Zeit brauche, um mich davon zu erholen, damit ich mich mit Dingen wie Hausarbeiten und Klausuren auseinanderzusetzen.

 

Das Wissen, dass ich es schaffen könnte und vor allem schaffen will, nimmt die Sorge nicht weg, dass es nicht so klappt wie ich mir das vorstelle.

Und von außen gesagt zu bekommen, dass ich da halt einfach durchmüsse, sorgt (wenn überhaupt) dafür, dass meine Angst, zu versagen anklopft und sich fröhlich winkend in meinem Kopf einnistet. Es ist nicht einfach. Es fällt mir verdammt schwer, diese Entscheidung zu treffen. Sich bewusst für sechs Wochen Stress zu entscheiden, ist nicht einfach. Sich gegen etwas zu entscheiden, dass positive Folgen hätte, wenn alles klappt, ist auch nicht einfach. Und nichts, was durch Zähnezusammenbeißen weggeht. Zähnezusammenbeißen macht höchstens Kopfschmerzen.

 

 

Gedankenknoten

An manchen Tagen denke ich so viel, dass es sich am Ende anfühlt, als hätte ich nicht nur einen Gedankenknoten in meinem Gehirn, der sich scheinbar nicht mehr auflösen lässt.

Dann sind da auf einmal Erinnerungen an Momente, die Jahre her sind und Erinnerungen an Dinge, die vor nicht allzu langer Zeit passiert sind. Vielleicht denke ich dann über eine eine Nachricht, die jemand mir schrieb, als er betrunken war und obwohl mit dieser Person längst kein Kontakt mehr ist, wünsche ich mir, ich hätte damals eine Erklärung dazu bekommen. Vielleicht erinnere ich mich an Momente aus meiner Kindheit und Aussagen von Familienmitgliedern, ehemaligen Freunden oder anderen Personen, die so sehr in meinem Kopf verankert sind, dass sie mich heute noch verunsichern und dafür Sorgen, dass ich über bestimmte Themen nicht nachdenken kann, weil sie mir Angst machen. Und dann denke ich die Dinge, die jetzt schief laufen, an die Fehler, die ich in mir sehe. Kleinigkeiten wie die Sache mit Narben, die ich dem Skin-picking zu verdanken habe. („Hör auf zu kratzen!“ ist mit einer der häufigsten Sätze seit ich zehn Jahre alt war. Ich wünschte, es wäre so einfach wie meine Mutter es immer klingen ließ und die Aufforderung, aufzuhören würde es nicht schlimmer machen, weil es mir dann auf einmal bewusst wird. Ich wünschte, ich müsste mich nicht so schlecht fühlen, wenn ich mal ein paar schlechte Tage habe, obwohl es inzwischen sehr viel mehr gute Tage sind.) Oder ich denke an scheinbare Kleinigkeiten, die jemand mir gegenüber erwähnte, wie meine Mutter heute beim Abendessen als sie mir eines dieser „Spring’s coming, time to shave, girls!“-Bilder zeigte. Daran, wie sie mit zwölf erklärte, ich müsste jetzt ja anfangen, mich zu rasieren. Oder wie sie über meine Tante lästerte, weil sie keine rasierten Achseln hatte. Wenn ich entscheide, mich einige Zeit nicht zu rasieren, schwanke ich zwischen Freude, über Haut, die nicht gereizt ist und Unwohlsein, weil in meinem Kopf die Stimme ist, die mir sagt, ich sollte doch lieber wieder und ich bin mir nie sicher, ob das wirklich ich bin oder nur die Vorstellungen meiner Familie oder der Gesellschaft davon, wie eine Frau (oder jede*r, di*er für andere Menschen so aussieht) das tun sollte. Und weil mein Gehirn noch nicht genug hat, mit einer Sache, über die wir exzessiv und bis zum Verknoten nachdenken können, fallen mir noch genug andere Dinge ein, die ich mindestens besser machen könnte, wenn nicht sogar aktuell komplett falsch mache. Und obwohl einige dieser Dinge vielleicht nicht unwahr sind, möchte ich bitte kein „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“ hören -auch nicht von mir selbst, danke-, weil viele dieser Dinge dadurch, dass ich über sie nachdenke, nur viel schwieriger werden. Darüber nachdenken, dass ich mich in einer sozialen Situation vielleicht irgendwie seltsam verhalten habe – obwohl es vielleicht stimmt – sorgt letztendlich nicht dafür, dass ich es beim nächsten Mal besser mache, sondern eher, dass ich beim nächsten Mal so verunsichert bin, dass ich einer ähnlichen Situation so weit aus dem Weg gehen möchte, wie es nur geht. (Wann geht der nächste Flug zum Mond? Obwohl, das ist noch zu nah an der Erde, wer weiß, auf welchen Ideen diese Menschheit noch kommt.) Und wenn wir gerade schon mal dabei sind: Du warst beim Abendessen mit der Familie vorhin schon wieder die letzte, die mit dem Essen fertig war, Tasha. Das ist scheiße, lern endlich mal schneller zu essen! (Danke Tasha, dass du dir Vorwürfe wegen Dingen machst, die niemand sonst wirklich schlimm findet.) Bei Personen X, Y und Z könntest du dich auch mal wieder melden. Du vermisst sie doch. Aber was, wenn sie beschäftigt sind/keine Lust auf eine Unterhaltung haben und überhaupt, wie sollst du das überhaupt anfangen? (Ihr glaubt gar nicht, wie gut es tut, zu wissen, dass ich, wenn ich so lange durchhalte und nicht flüchte, Menschen irgendwann gut genug kenne, um mich einfach random und ohne großes Nachdenken bei ihnen zu melden.) Oh und hast du schon über die sympathisch und gut aussehende, fremde Person aus der Bahn von vor ein paar Wochen und dieses „was wäre wenn du auf das Lächeln und Nicken nicht mit einem unsicheren Grinsen und noch unsichereren Blicken auf den Boden reagiert hättest“ nachgedacht? Das ist ein wichtigstes Thema. Überhaupt, es ist wichtig über Kleinigkeiten und scheinbar unbedeutende Momente nachzudenken, an denen kein Mensch mehr irgendetwas ändern kann, das macht Spaß.

Und all sowas eben und ohne Pause zwischen einzelnen Gedanken. Heute war kein guter Abend, aber hey! Immerhin konnte ich es nach Stunden jetzt ansatzweise in Worte fassen. Das tut gut.

Gute Nacht.