Bin ich etwa ein lyrisches Ich?

Um die Frage kurz und knapp zu beantworten: Nein, bin ich nicht.

Ich schreibe.

Manchmal schreibe ich Dinge, die sehr stark von mir und meinen Gefühlen beeinflusst sind. Manchmal schreibe ich Dinge, die so wenig mit mir gemeinsam haben, dass ich mich hinterher frage, woher die Worte kamen. Manchmal schreibe ich Dinge, die im Grundgedanken auf eigenen Erfahrungen beruhen und dann verzerrt oder verstärkt oder auf irgendeine andere Art und Weise verändert wurden.

In der Regel erzähle ich niemandem, wann welcher Fall vorliegt, wenn ich etwas mit Menschen teile.

Liest jemand also einen Text von mir, hat diese Person zunächst mal einen Text von mir, kennt vielleicht andere meiner Kurzgeschichten oder Gedichte und hat vielleicht eine Vorstellung, wie der Text sein könnte. Versucht diese Person jetzt den Text zu interpretieren oder zu verstehen oder mir eine Meinung dazu zukommen zu lassen, spielt das alles ein wenig mit hinein.

Manchmal verwende ich bewusst einen Ich-Erzähler, manchmal einen personalen Er- oder Sie-Erzähler, manchmal mache ich mir keine Gedanken darum und schreibe einfach das, was mir in den Kram passt und sich am besten anfühlt. Aber in den wenigsten Fällen hat die Wahl der Erzählperspektive etwas damit zu tun, wie viel von mir in diesem Text steckt.

Und ganz sicher kann niemand einem Text von knapp 100 Worten eindeutig ablesen, ob ich depressiv bin, gerade jemanden vermisse oder wie es mir sonst geht, wie so manche Person, die mir schon Kommentare schrieb, es tat.

Vielleicht könnt ihr ablesen, dass es dem Protagonist der Geschichte so geht. Vielleicht könnt ihr euch vorstellen, dass der Text durch ein ähnliches Gefühl meinerseits ausgelöst worden sein könnte. Aber vergesst nicht, dass ich genauso gut etwas gelesen/gesehen/gehört haben könnte, dass mich dazu verleitet hat, etwas zu schreiben.

Ich bin nicht meine Protagonisten und meine Protagonisten sind nicht ich.

Wenn doch und wenn ich euch das wissen lassen möchte, bekommt ihr das schon mit. Keine Sorge.

 

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