Warum „Zähne zusammenbeißen!“ nicht hilft

„Musst halt mal die Zähne zusammenbeißen! Die drei Wochen, ich würd’s schon machen.“

So wurde heute auf meine Sorge, nicht genug Zeit für Unidinge (Hausarbeiten, Klausurvorbereitung etc.) zu haben, wenn ich in der vorlesungsfreien Zeit im Sommer arbeiten gehe, reagiert.

Ich verstehe, woher diese Aussage kam; immerhin habe ich mir selbst schon Ähnliches gesagt, aber leider hilft mir das nicht weiter.

Ich weiß, dass ich die Hausarbeit, die ich schreiben muss, auch in relativ kurzer Zeit geschrieben bekomme, wenn es sein muss.

Ich weiß, dass ich unter Druck meistens ziemlich gute Ergebnisse liefern kann.

Ich weiß, dass ich mich sehr gut fühlen werde, wenn ich am Ende des Monats das viele Geld, das ich verdienen werde, sehe.

Ich weiß, dass mir mein Sommerjob trotz Eintönigkeit und körperlicher Anstrengung, sexistischem Chef, aber vor allem wegen sehr netten Kollegen, die sich freuen, wenn ich wiederkomme, Spaß machen wird.

Aber:

Ich weiß auch, dass es schnell passieren kann, dass ich den gesamten Sommer damit verbringen werde, mir Sorgen zu machen, dass die Zeit aus irgendeinem Grund doch nicht reicht.

Ich weiß, dass ich jetzt schon Angst vor zwei Klausuren habe, die ich beim Versuch im Sommer definitiv bestehen muss.

Ich weiß, dass ich kein Semester mehr (zusätzlich zu den zweien) an die Regelstudienzeit anhängen sollte, weil ich mir das Studium nicht selbst finanzieren kann.

Ich weiß, dass ich nach dem Sommerjob ein bisschen Zeit brauche, um mich davon zu erholen, damit ich mich mit Dingen wie Hausarbeiten und Klausuren auseinanderzusetzen.

 

Das Wissen, dass ich es schaffen könnte und vor allem schaffen will, nimmt die Sorge nicht weg, dass es nicht so klappt wie ich mir das vorstelle.

Und von außen gesagt zu bekommen, dass ich da halt einfach durchmüsse, sorgt (wenn überhaupt) dafür, dass meine Angst, zu versagen anklopft und sich fröhlich winkend in meinem Kopf einnistet. Es ist nicht einfach. Es fällt mir verdammt schwer, diese Entscheidung zu treffen. Sich bewusst für sechs Wochen Stress zu entscheiden, ist nicht einfach. Sich gegen etwas zu entscheiden, dass positive Folgen hätte, wenn alles klappt, ist auch nicht einfach. Und nichts, was durch Zähnezusammenbeißen weggeht. Zähnezusammenbeißen macht höchstens Kopfschmerzen.

 

 

Gedankenknoten

An manchen Tagen denke ich so viel, dass es sich am Ende anfühlt, als hätte ich nicht nur einen Gedankenknoten in meinem Gehirn, der sich scheinbar nicht mehr auflösen lässt.

Dann sind da auf einmal Erinnerungen an Momente, die Jahre her sind und Erinnerungen an Dinge, die vor nicht allzu langer Zeit passiert sind. Vielleicht denke ich dann über eine eine Nachricht, die jemand mir schrieb, als er betrunken war und obwohl mit dieser Person längst kein Kontakt mehr ist, wünsche ich mir, ich hätte damals eine Erklärung dazu bekommen. Vielleicht erinnere ich mich an Momente aus meiner Kindheit und Aussagen von Familienmitgliedern, ehemaligen Freunden oder anderen Personen, die so sehr in meinem Kopf verankert sind, dass sie mich heute noch verunsichern und dafür Sorgen, dass ich über bestimmte Themen nicht nachdenken kann, weil sie mir Angst machen. Und dann denke ich die Dinge, die jetzt schief laufen, an die Fehler, die ich in mir sehe. Kleinigkeiten wie die Sache mit Narben, die ich dem Skin-picking zu verdanken habe. („Hör auf zu kratzen!“ ist mit einer der häufigsten Sätze seit ich zehn Jahre alt war. Ich wünschte, es wäre so einfach wie meine Mutter es immer klingen ließ und die Aufforderung, aufzuhören würde es nicht schlimmer machen, weil es mir dann auf einmal bewusst wird. Ich wünschte, ich müsste mich nicht so schlecht fühlen, wenn ich mal ein paar schlechte Tage habe, obwohl es inzwischen sehr viel mehr gute Tage sind.) Oder ich denke an scheinbare Kleinigkeiten, die jemand mir gegenüber erwähnte, wie meine Mutter heute beim Abendessen als sie mir eines dieser „Spring’s coming, time to shave, girls!“-Bilder zeigte. Daran, wie sie mit zwölf erklärte, ich müsste jetzt ja anfangen, mich zu rasieren. Oder wie sie über meine Tante lästerte, weil sie keine rasierten Achseln hatte. Wenn ich entscheide, mich einige Zeit nicht zu rasieren, schwanke ich zwischen Freude, über Haut, die nicht gereizt ist und Unwohlsein, weil in meinem Kopf die Stimme ist, die mir sagt, ich sollte doch lieber wieder und ich bin mir nie sicher, ob das wirklich ich bin oder nur die Vorstellungen meiner Familie oder der Gesellschaft davon, wie eine Frau (oder jede*r, di*er für andere Menschen so aussieht) das tun sollte. Und weil mein Gehirn noch nicht genug hat, mit einer Sache, über die wir exzessiv und bis zum Verknoten nachdenken können, fallen mir noch genug andere Dinge ein, die ich mindestens besser machen könnte, wenn nicht sogar aktuell komplett falsch mache. Und obwohl einige dieser Dinge vielleicht nicht unwahr sind, möchte ich bitte kein „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“ hören -auch nicht von mir selbst, danke-, weil viele dieser Dinge dadurch, dass ich über sie nachdenke, nur viel schwieriger werden. Darüber nachdenken, dass ich mich in einer sozialen Situation vielleicht irgendwie seltsam verhalten habe – obwohl es vielleicht stimmt – sorgt letztendlich nicht dafür, dass ich es beim nächsten Mal besser mache, sondern eher, dass ich beim nächsten Mal so verunsichert bin, dass ich einer ähnlichen Situation so weit aus dem Weg gehen möchte, wie es nur geht. (Wann geht der nächste Flug zum Mond? Obwohl, das ist noch zu nah an der Erde, wer weiß, auf welchen Ideen diese Menschheit noch kommt.) Und wenn wir gerade schon mal dabei sind: Du warst beim Abendessen mit der Familie vorhin schon wieder die letzte, die mit dem Essen fertig war, Tasha. Das ist scheiße, lern endlich mal schneller zu essen! (Danke Tasha, dass du dir Vorwürfe wegen Dingen machst, die niemand sonst wirklich schlimm findet.) Bei Personen X, Y und Z könntest du dich auch mal wieder melden. Du vermisst sie doch. Aber was, wenn sie beschäftigt sind/keine Lust auf eine Unterhaltung haben und überhaupt, wie sollst du das überhaupt anfangen? (Ihr glaubt gar nicht, wie gut es tut, zu wissen, dass ich, wenn ich so lange durchhalte und nicht flüchte, Menschen irgendwann gut genug kenne, um mich einfach random und ohne großes Nachdenken bei ihnen zu melden.) Oh und hast du schon über die sympathisch und gut aussehende, fremde Person aus der Bahn von vor ein paar Wochen und dieses „was wäre wenn du auf das Lächeln und Nicken nicht mit einem unsicheren Grinsen und noch unsichereren Blicken auf den Boden reagiert hättest“ nachgedacht? Das ist ein wichtigstes Thema. Überhaupt, es ist wichtig über Kleinigkeiten und scheinbar unbedeutende Momente nachzudenken, an denen kein Mensch mehr irgendetwas ändern kann, das macht Spaß.

Und all sowas eben und ohne Pause zwischen einzelnen Gedanken. Heute war kein guter Abend, aber hey! Immerhin konnte ich es nach Stunden jetzt ansatzweise in Worte fassen. Das tut gut.

Gute Nacht.

 

 

 

„Lasst mich Fehler machen.“

Wieso muss ich ganz genau wissen, wer ich bin, um etwas auszuprobieren?

Wieso muss ich sagen können „Ich weiß, wer ich bin.“, bevor ich eine Entscheidung treffen kann?

Wie soll das funktionieren?

Wie soll ich jemals irgendwo ankommen, wenn ich schon vorher wissen muss, dass die Richtung, in die ich gehe, die richtige ist?

Soll ich mich vor Fehlern und Unsicherheit verstecken, indem ich abwarte? Auf den richtigen Zeitpunkt, auf den Geistesblitz, darauf dass sich alles irgendwie von selbst fügt?

„Du musst doch wissen, was du mit deinem Studium mal anfangen willst.“ „Du musst wissen, wer du bist, bevor du Sex hast.“ (Was ist das überhaupt für eine seltsame Aussage?) „Und danach? Was tust du danach? Das musst du doch entscheiden.“

Solche Aufforderungen sagen sich leicht, wenn sie von jemandem kommen, di*er die Antworten für sich kennt und ich verstehe es manchmal nicht ganz. Wenn ich nicht weiß, was ich nach meinem Studium mal tun will, soll ich dann zu Hause sitzen und warten, bis es mir einfällt, bevor ich mich an einer Uni einschreibe? Davon kommt mir bestimmt keine Erkenntnis.

Lasst mich Fehler machen. Lasst zu, dass ich eine Entscheidung treffe, die ich in der Zukunft vielleicht anders treffen würde. Mir zu sagen, dass ich alles schon vorher wissen muss, wird nicht dafür sorgen, dass ich nicht vielleicht mal denke „Oh, hätte ich mich doch anders entschieden.“ und es wird mich auch nicht davon abhalten, verletzt zu werden.

Lasst mich Fehler machen und vor allem lasst mich unsicher sein. Sicherheit lässt sich nicht erzwingen und sie taucht auch vom vielen Nachdenken nicht einfach plötzlich vor mir auf und sagt „Wenn du das tust, wirst du in ein paar Monaten oder Jahren oder Jahrzehnten zufrieden damit sein.“

Erwartungen

Meine Cousine heiratet im Mai und während ich mich für sie und ihren Freund freue, verursacht der Gedanke an die

Hochzeit bei mir zur Zeit mehr Stress als alles Andere.
Es gibt nämlich zwei Dinge, die ich absolut nicht leiden kann:

a) vorgeschrieben zu bekommen, dass ich für einen bestimmten Anlass eine bestimmte Sorte Kleidung (aka ein Kleid, dass nicht schwarz oder schwarz-weiß ist) tragen muss

b) den Druck haben, Kleidung kaufen zu müssen, weil mein Schrank nichts Passendes hergibt

Ich soll also bis Mai ein Kleidungsstück kaufen, in dem ich mich an mindestens 7/10 Tagen vermutlich eher unwohl fühlen würde, weil von mir erwartet wird, dass ich ein Kleid trage, weil Frauen das halt so machen zu solchen Anlässen. Danke, liebe Gesellschaft, dass du mir deine Geschlechterrollen aufdrängen willst. Ich finde das wirklich wahnsinnig toll.

Ich will ein Kleid tragen, wenn mir spontan danach ist und ich will das tun können, ohne dass „Ich trage ein Kleid.“ gleichzeitig bedeutet „Ich trage hohe Schuhe und schminke mich aufwendig.“

Falls ich an so einem Tag wie einer Hochzeit spontan Lust auf ein Kleid haben sollte: Schön.

Aber falls ich lieber eine Hose und ein Hemd tragen und ungeschminkt in flachen Schuhen sein will, sollte das bitte genauso okay sein.

Ich will eine Welt, in der ich nicht befürchten muss, dass Menschen mich dafür verurteilen, dass ich nicht ihren Vorstellungen entspreche. Bittedanke. Gute Nacht.

Warum habe ich das nicht früher getan?

Ich habe seit Mittwoch kurze Haare und ich bin so zufrieden. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so begeistert sein würde, aber es fühlt sich ziemlich toll an. Ich bin froh, dass ich mich endlich getraut habe.

Bisher kamen auch keine blöden Reaktionen von irgendwelchen Leuten, sondern alle finden es sieht gut aus und das freut mich ziemlich. (Ich bin noch gespannt auf die Reaktion meiner Eltern, wenn wir uns das nächste Mal persönlich sehen – das scheint oft der Anlass zu sein, mir ihre ehrliche Meinung um die Ohren zu hauen – aber bisher kam auch da nichts Negatives.)

Auch beim Friseur hat diesmal niemand versucht, mir kurze Haare auszureden, was mir vorher ja durchaus schon passiert ist und dafür gesorgt hat, dass ich so lange gewartet habe, um es endlich durchzuziehen.

Gespräch lief ungefähr so ab:

„Ich habe ein Foto, das ist wahrscheinlich einfacher als wenn ich versuche, zu beschreiben, was ich möchte.“

*zeigt Foto*

„Oh, okay.“

„Ja.“

„Okay. Wie kurz willst du es denn rasiert haben?“

„Ich kann mir unter den Angaben wenig vorstellen, was schlägst du vor?“

„Ach, machen wir einfach 9mm. “

„Okay.“

Und hinterher: „Ich zeig’s dir jetzt noch einmal von hinten, aber du darfst dich nicht erschrecken. Es ist ziemlich fleckig, das hat nichts mit dem Schnitt zu tun, sondern kommt von der Farbe.“ (Das ist mir übrigens recht egal. Sowas passiert eben, wenn man bunte Haare hat und ich finde das eigentlich sogar ziemlich cool.)

Unkomplizierte Friseurbesuche ftw! <3

Ansonsten, Bilder: