Von Produktivität und gesellschaftlich akzeptierten Schlafenszeiten

Es ist Mittwoch, seit einer halben Stunde.

Ich sitze ungefähr seit 21:45 verhältnismäßig konzentriert an Dingen für die Uni. (Ich lese Texte in einem vorlesungsbegleitenden Reader.) Die Produktivität fühlt sich gerade ziemlich gut an. Das war nämlich nicht mein erster Versuch heute, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Nachmittags habe ich mich auch hingesetzt und angefangen, zu lesen, aber mir fehlte die Motivation, Konzentration und zwischendurch spielte auch noch mein Kreislauf verrückt. Außerdem war es ganz einfach nicht meine Uhrzeit.

Produktivität funktioniert bei mir am besten, wenn die meisten anderen Menschen schon schlafen und hier liegt leider auch mein größtes Problem.

Es ist Mittwoch, seit einer halben Stunde und in weniger als sechs Stunden wird mein erster Wecker klingeln, der mir sagt, dass ich aufstehen, duschen, mich anziehen, frühstücken, meine Sachen packen und zur Uni fahren muss, um Norwegisch zu lernen. Ich möchte nichts davon.

Und versteht mich nicht falsch: Ich mag diese Sprache sehr, ich mag meine Dozentin und bis auf ein paar wenige Ausnahmen auch meine Mitstudierenden in diesem Kurs.

Ich habe zwei Möglichkeiten:

Schlafen, wie es gesellschaftlich akzeptiert und erwartet wird und dafür einen Teil meiner produktiven Stunden opfern, was letztendlich dazu führt, dass ich die Dinge, die ich während dieser Zeit tun würde, nicht erledige, weil zu viel Dinge um mich herum passieren. (Weil die Welt tagsüber einfach zu laut ist, um mich zu konzentrieren.) Die Dinge nicht zu tun führt letztendlich dazu, dass ich nicht so gut mitkomme, wie ich es gerne würde und die Klausurenphase ein Kampf wird, den ich mit Glück gewinne, aber vermutlich nicht sonderlich gut.

Spät schlafen und nutzen, dass ich motiviert und konzentriert bin und morgen früh wie ein Zombie zur Uni zu schleichen, im Kurs vor mich hingähnen, zu viel Koffein konsumieren, anschließend für zwei Stunden ins Bett fallen und nachmittags eine weitere Vorlesung besuchen und dann wieder bis spät nachts wach sein.

 

Und dann frage ich mich, wie es wäre, wenn alles, was vor 12 Uhr stattfindet einfach nach hinten verschoben würde, aber vermutlich hieße das, dass die Welt nachts lauter wird und das ist wirklich das Letzte, was ich will.

Jetzt ist es seit fast 50 Minuten Mittwoch, Uni ist um acht und ich gehe wohl diese Zusammenfassung zu Ende schreiben. Und dann wäre da eigentlich noch ein weiterer Text, der gelesen werden will … ach.

Dinge, die mich glücklich machen

 

  1. Livemusik.
  2. Katzen
  3. Zeit mit meiner Familie zu verbringen, ohne dass jemand schlecht gelaunt ist und/oder wir streiten.
  4. Menschen mit bunten Haaren.
  5. Der Geruch von Farbe. (Nicht unbedingt nur die für die Haare.)
  6. Flauschige Rinder.
  7. Alliterationen.
  8. Tolle Menschen aus dem Internet treffen.
  9. Bei Regen ins Bett kuscheln und lesen oder Musik hören oder einfach einen Tag lang nichts tun.
  10. Badewannen.
  11. Mozzarellasticks. Und Saganaki.
  12. Nagellack.
  13. Nachts draußen sitzen.
  14. Kamin- und Lagerfeuer.
  15. Musik.
  16. Bücher lesen.
  17. ‚Bücher‘ schreiben.
  18. Camping.
  19. Meer.
  20. Twitter.
  21. Symmetrie.
  22. Sprachen lernen.
  23. Küsse.
  24. Postkarten.
  25. Lachen, bis es sich anfühlt, als müsste ich gleich ersticken und trotzdem nicht aufhören können.
  26. Britisches Englisch.
  27. Pizza.
  28. Schöne Sonnenunter- und Aufgänge.
  29. Schwarztee mit Milch.
  30. Spaziergänge mit einer Kamera.
  31. Schaukeln.
  32. Nach Jahren Musik hören, die ich früher mochte und merken, dass sie immer noch toll ist und ich die Lyrics noch auswendig kann.
  33. Flauschige Dinge.
  34. Zeit vergessen.
  35. Das Gefühl, mit meinem Leben zumindest so ungefähr in die richtige Richtung unterwegs zu sein.
  36. Den Mut finden, etwas Neues zu probieren und merken, dass meine Sorgen vorher unbegründet waren.
  37. Kurze Haare haben.
  38. Bunte Haare haben.
  39. Die Lieblingseissorte aus der Lieblingseisdiele.
  40. Serien
  41. Flugzeuge.
  42. Vogelgezwitscher, wenn ich morgens um fünf ins Bett gehe.
  43. Mit meiner kleinen Schwester herumalbern.
  44. Gute Laune, die unkontrollierbares Grinsen auslöst.
  45. Zu wissen, dass ich an vielen verschiedenen Orten Freund*innen/Bekannte habe. (Macht die Sorge mal irgendwo zu wohnen, wo ich überhaupt niemanden kenne, nur halb so groß. Irgendjemand ist fast immer in erreichbarer Nähe.)
  46. Wenn Menschen mir sagen, dass sie bei Katzen (oder anderen Dingen, die ich mag) an mich denken müssen.
  47. Etwas backen und nebenbei singend durch die Küche hüpfen.
  48. Frische Bettwäsche.
  49. Wände. (Zum Beispiel: An Wänden vorbeigehen und mit den Händen darüberstreichen.)
  50. Haut, die im Sommer nach Chlorwasser und Sonnencreme riecht.

(Das waren die ersten 50 Dinge, die mir eingefallen sind. Vielleicht gibt’s irgendwann noch mehr. Reihenfolge ist zufällig.)

Warum „Zähne zusammenbeißen!“ nicht hilft

„Musst halt mal die Zähne zusammenbeißen! Die drei Wochen, ich würd’s schon machen.“

So wurde heute auf meine Sorge, nicht genug Zeit für Unidinge (Hausarbeiten, Klausurvorbereitung etc.) zu haben, wenn ich in der vorlesungsfreien Zeit im Sommer arbeiten gehe, reagiert.

Ich verstehe, woher diese Aussage kam; immerhin habe ich mir selbst schon Ähnliches gesagt, aber leider hilft mir das nicht weiter.

Ich weiß, dass ich die Hausarbeit, die ich schreiben muss, auch in relativ kurzer Zeit geschrieben bekomme, wenn es sein muss.

Ich weiß, dass ich unter Druck meistens ziemlich gute Ergebnisse liefern kann.

Ich weiß, dass ich mich sehr gut fühlen werde, wenn ich am Ende des Monats das viele Geld, das ich verdienen werde, sehe.

Ich weiß, dass mir mein Sommerjob trotz Eintönigkeit und körperlicher Anstrengung, sexistischem Chef, aber vor allem wegen sehr netten Kollegen, die sich freuen, wenn ich wiederkomme, Spaß machen wird.

Aber:

Ich weiß auch, dass es schnell passieren kann, dass ich den gesamten Sommer damit verbringen werde, mir Sorgen zu machen, dass die Zeit aus irgendeinem Grund doch nicht reicht.

Ich weiß, dass ich jetzt schon Angst vor zwei Klausuren habe, die ich beim Versuch im Sommer definitiv bestehen muss.

Ich weiß, dass ich kein Semester mehr (zusätzlich zu den zweien) an die Regelstudienzeit anhängen sollte, weil ich mir das Studium nicht selbst finanzieren kann.

Ich weiß, dass ich nach dem Sommerjob ein bisschen Zeit brauche, um mich davon zu erholen, damit ich mich mit Dingen wie Hausarbeiten und Klausuren auseinanderzusetzen.

 

Das Wissen, dass ich es schaffen könnte und vor allem schaffen will, nimmt die Sorge nicht weg, dass es nicht so klappt wie ich mir das vorstelle.

Und von außen gesagt zu bekommen, dass ich da halt einfach durchmüsse, sorgt (wenn überhaupt) dafür, dass meine Angst, zu versagen anklopft und sich fröhlich winkend in meinem Kopf einnistet. Es ist nicht einfach. Es fällt mir verdammt schwer, diese Entscheidung zu treffen. Sich bewusst für sechs Wochen Stress zu entscheiden, ist nicht einfach. Sich gegen etwas zu entscheiden, dass positive Folgen hätte, wenn alles klappt, ist auch nicht einfach. Und nichts, was durch Zähnezusammenbeißen weggeht. Zähnezusammenbeißen macht höchstens Kopfschmerzen.

 

 

„Lasst mich Fehler machen.“

Wieso muss ich ganz genau wissen, wer ich bin, um etwas auszuprobieren?

Wieso muss ich sagen können „Ich weiß, wer ich bin.“, bevor ich eine Entscheidung treffen kann?

Wie soll das funktionieren?

Wie soll ich jemals irgendwo ankommen, wenn ich schon vorher wissen muss, dass die Richtung, in die ich gehe, die richtige ist?

Soll ich mich vor Fehlern und Unsicherheit verstecken, indem ich abwarte? Auf den richtigen Zeitpunkt, auf den Geistesblitz, darauf dass sich alles irgendwie von selbst fügt?

„Du musst doch wissen, was du mit deinem Studium mal anfangen willst.“ „Du musst wissen, wer du bist, bevor du Sex hast.“ (Was ist das überhaupt für eine seltsame Aussage?) „Und danach? Was tust du danach? Das musst du doch entscheiden.“

Solche Aufforderungen sagen sich leicht, wenn sie von jemandem kommen, di*er die Antworten für sich kennt und ich verstehe es manchmal nicht ganz. Wenn ich nicht weiß, was ich nach meinem Studium mal tun will, soll ich dann zu Hause sitzen und warten, bis es mir einfällt, bevor ich mich an einer Uni einschreibe? Davon kommt mir bestimmt keine Erkenntnis.

Lasst mich Fehler machen. Lasst zu, dass ich eine Entscheidung treffe, die ich in der Zukunft vielleicht anders treffen würde. Mir zu sagen, dass ich alles schon vorher wissen muss, wird nicht dafür sorgen, dass ich nicht vielleicht mal denke „Oh, hätte ich mich doch anders entschieden.“ und es wird mich auch nicht davon abhalten, verletzt zu werden.

Lasst mich Fehler machen und vor allem lasst mich unsicher sein. Sicherheit lässt sich nicht erzwingen und sie taucht auch vom vielen Nachdenken nicht einfach plötzlich vor mir auf und sagt „Wenn du das tust, wirst du in ein paar Monaten oder Jahren oder Jahrzehnten zufrieden damit sein.“

Erwartungen

Meine Cousine heiratet im Mai und während ich mich für sie und ihren Freund freue, verursacht der Gedanke an die

Hochzeit bei mir zur Zeit mehr Stress als alles Andere.
Es gibt nämlich zwei Dinge, die ich absolut nicht leiden kann:

a) vorgeschrieben zu bekommen, dass ich für einen bestimmten Anlass eine bestimmte Sorte Kleidung (aka ein Kleid, dass nicht schwarz oder schwarz-weiß ist) tragen muss

b) den Druck haben, Kleidung kaufen zu müssen, weil mein Schrank nichts Passendes hergibt

Ich soll also bis Mai ein Kleidungsstück kaufen, in dem ich mich an mindestens 7/10 Tagen vermutlich eher unwohl fühlen würde, weil von mir erwartet wird, dass ich ein Kleid trage, weil Frauen das halt so machen zu solchen Anlässen. Danke, liebe Gesellschaft, dass du mir deine Geschlechterrollen aufdrängen willst. Ich finde das wirklich wahnsinnig toll.

Ich will ein Kleid tragen, wenn mir spontan danach ist und ich will das tun können, ohne dass „Ich trage ein Kleid.“ gleichzeitig bedeutet „Ich trage hohe Schuhe und schminke mich aufwendig.“

Falls ich an so einem Tag wie einer Hochzeit spontan Lust auf ein Kleid haben sollte: Schön.

Aber falls ich lieber eine Hose und ein Hemd tragen und ungeschminkt in flachen Schuhen sein will, sollte das bitte genauso okay sein.

Ich will eine Welt, in der ich nicht befürchten muss, dass Menschen mich dafür verurteilen, dass ich nicht ihren Vorstellungen entspreche. Bittedanke. Gute Nacht.