Seit „Pronomen und Dinge“ und Leben sonst so.

Vor fast zwei Monaten habe ich einen Blogeintrag geschrieben und ja, das tat richtig gut, das aufzuschreiben und irgendwie ein bisschen meine Gedanken zu sortieren.

Andererseits hat es das auch irgendwie alles realer gemacht, dafür gesorgt, dass Menschen mir Fragen stellen und es mir irgendwie schwerer fällt, unangenehmes Nachdenken zu dem Thema zu verhindern. (Obwohl das komplette Verweigern vorher, drüber nachzudenken natürlich nicht besser war.)

Ein Teil von mir kommt immer wieder an und fragt, ob ich mir doch nicht nur alles einbilde und einfach ne Frau bin und obwohl ich weiß, dass es definitiv nicht so ist.

Ein Teil von mir ist auch überzeugt, es wäre definitiv nicht möglich, weder Mann noch Frau zu sein und es nervt ziemlich, das loszuwerden.

Ein Teil möchte gern überall out sein, an der Uni nicht mehr mit Frau M. angesprochen werden und gleichzeitig nicht erklären müssen, wieso sich das so mies anfühlt.

Insgesamt ist alles relativ verwirrend und dass das alles relativ fluid zu sein scheint, macht es nicht besser.

 

Aber, noch ein paar positive Dinge der letzten Zeit:

  • Ich habe seit einer Weile einen Binder und mag es ziemlich gern den manchmal zu tragen.
  • Alles in allem haben Menschen online relativ gut reagiert, was irgendwie Mut macht, irgendwann vielleicht auch nicht-online Menschen davon zu erzählen. (Vermutlich wäre KleineSchwester die erste von Menschen in der Familie, der ich davon erzählen würde. Immerhin ist sie auch die einzige aus der Verwandtschaft, die vom Bi-/Pansein weiß.)
  • Meine Haare sind wieder frisch gefärbt und ach! So toll.
  • Ich habe Besuch von einer Twitterperson gehabt, die gar nicht weit weg wohnt und das war toll!
  • Ich habe (noch nicht angefangen, aber!) einen Job und allein die Tatsache, dass ich mich beworben habe, macht mich ziemlich stolz.
  • Ich war mehrmals am Meer in der letzten Zeit und habe Fotos und am Wochenende war CampusFestival und das war cool. Fjørt live, yay. \o/
  • Morgen darf ich Zeit im Zug verbringen.

glücklich

Die ersten Töne der Vorband bringen ein kurzes überdeutliches Bewusstsein der Menschen um mich herum mit sich. Ich fühle mich als würde ich verschluckt, von der Musik und den lachenden, trinkenden, tanzenden Menschen neben, hinter und vor mir. Einen Moment lang muss ich bewusst auf meinen Atemrhythmus achten und sichergehen, dass mein Herz nicht vielleicht plötzlich aufgehört hat zu schlagen und ich nur noch als Geist zwischen all den anderen Personen stehe.

Ganz ohne meine Zutun fängt mein Kopf an, das Gefühl in Worte und Sätze zu fassen, es gedanklich aufzuschreiben, es so zwischen den Befehlen „Atmen!“ und „Vorsicht, Menschen!“ einzubrennen, dass ich Stunden später noch den genauen Wortlaut weiß und ihn eins zu eins aufschreiben könnte.

In dem Moment weiß ich, dass es ein guter Abend wird. So gut wie er nur sein könnte.

Was danach passiert ist ein Durcheinander aus lauter Musik, springenden Gestalten um mich herum, Alkohol, einem vernebelten Club, vibrierenden Wänden und Boden und meinen Gedanken, die für ein paar Stunden einfach still sind. Es ist ein Durcheinander, das klarer und schöner nicht sein könnte und alles verwirbelt, was vorher jemals wichtig war und hinterher wichtig sein wird.

Mein gesamter Körper kribbelt, mir ist warm und mein Zeitgefühl hat sich schon verabschiedet, als die Band die Bühne, die kaum mehr als ein kleiner Absatz ist, betrat.

Am Ende des Abends bin ich heiser und vor allem glücklich.

Danke dafür.

Von Produktivität und gesellschaftlich akzeptierten Schlafenszeiten

Es ist Mittwoch, seit einer halben Stunde.

Ich sitze ungefähr seit 21:45 verhältnismäßig konzentriert an Dingen für die Uni. (Ich lese Texte in einem vorlesungsbegleitenden Reader.) Die Produktivität fühlt sich gerade ziemlich gut an. Das war nämlich nicht mein erster Versuch heute, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Nachmittags habe ich mich auch hingesetzt und angefangen, zu lesen, aber mir fehlte die Motivation, Konzentration und zwischendurch spielte auch noch mein Kreislauf verrückt. Außerdem war es ganz einfach nicht meine Uhrzeit.

Produktivität funktioniert bei mir am besten, wenn die meisten anderen Menschen schon schlafen und hier liegt leider auch mein größtes Problem.

Es ist Mittwoch, seit einer halben Stunde und in weniger als sechs Stunden wird mein erster Wecker klingeln, der mir sagt, dass ich aufstehen, duschen, mich anziehen, frühstücken, meine Sachen packen und zur Uni fahren muss, um Norwegisch zu lernen. Ich möchte nichts davon.

Und versteht mich nicht falsch: Ich mag diese Sprache sehr, ich mag meine Dozentin und bis auf ein paar wenige Ausnahmen auch meine Mitstudierenden in diesem Kurs.

Ich habe zwei Möglichkeiten:

Schlafen, wie es gesellschaftlich akzeptiert und erwartet wird und dafür einen Teil meiner produktiven Stunden opfern, was letztendlich dazu führt, dass ich die Dinge, die ich während dieser Zeit tun würde, nicht erledige, weil zu viel Dinge um mich herum passieren. (Weil die Welt tagsüber einfach zu laut ist, um mich zu konzentrieren.) Die Dinge nicht zu tun führt letztendlich dazu, dass ich nicht so gut mitkomme, wie ich es gerne würde und die Klausurenphase ein Kampf wird, den ich mit Glück gewinne, aber vermutlich nicht sonderlich gut.

Spät schlafen und nutzen, dass ich motiviert und konzentriert bin und morgen früh wie ein Zombie zur Uni zu schleichen, im Kurs vor mich hingähnen, zu viel Koffein konsumieren, anschließend für zwei Stunden ins Bett fallen und nachmittags eine weitere Vorlesung besuchen und dann wieder bis spät nachts wach sein.

 

Und dann frage ich mich, wie es wäre, wenn alles, was vor 12 Uhr stattfindet einfach nach hinten verschoben würde, aber vermutlich hieße das, dass die Welt nachts lauter wird und das ist wirklich das Letzte, was ich will.

Jetzt ist es seit fast 50 Minuten Mittwoch, Uni ist um acht und ich gehe wohl diese Zusammenfassung zu Ende schreiben. Und dann wäre da eigentlich noch ein weiterer Text, der gelesen werden will … ach.

Dinge, die mich glücklich machen

 

  1. Livemusik.
  2. Katzen
  3. Zeit mit meiner Familie zu verbringen, ohne dass jemand schlecht gelaunt ist und/oder wir streiten.
  4. Menschen mit bunten Haaren.
  5. Der Geruch von Farbe. (Nicht unbedingt nur die für die Haare.)
  6. Flauschige Rinder.
  7. Alliterationen.
  8. Tolle Menschen aus dem Internet treffen.
  9. Bei Regen ins Bett kuscheln und lesen oder Musik hören oder einfach einen Tag lang nichts tun.
  10. Badewannen.
  11. Mozzarellasticks. Und Saganaki.
  12. Nagellack.
  13. Nachts draußen sitzen.
  14. Kamin- und Lagerfeuer.
  15. Musik.
  16. Bücher lesen.
  17. ‚Bücher‘ schreiben.
  18. Camping.
  19. Meer.
  20. Twitter.
  21. Symmetrie.
  22. Sprachen lernen.
  23. Küsse.
  24. Postkarten.
  25. Lachen, bis es sich anfühlt, als müsste ich gleich ersticken und trotzdem nicht aufhören können.
  26. Britisches Englisch.
  27. Pizza.
  28. Schöne Sonnenunter- und Aufgänge.
  29. Schwarztee mit Milch.
  30. Spaziergänge mit einer Kamera.
  31. Schaukeln.
  32. Nach Jahren Musik hören, die ich früher mochte und merken, dass sie immer noch toll ist und ich die Lyrics noch auswendig kann.
  33. Flauschige Dinge.
  34. Zeit vergessen.
  35. Das Gefühl, mit meinem Leben zumindest so ungefähr in die richtige Richtung unterwegs zu sein.
  36. Den Mut finden, etwas Neues zu probieren und merken, dass meine Sorgen vorher unbegründet waren.
  37. Kurze Haare haben.
  38. Bunte Haare haben.
  39. Die Lieblingseissorte aus der Lieblingseisdiele.
  40. Serien
  41. Flugzeuge.
  42. Vogelgezwitscher, wenn ich morgens um fünf ins Bett gehe.
  43. Mit meiner kleinen Schwester herumalbern.
  44. Gute Laune, die unkontrollierbares Grinsen auslöst.
  45. Zu wissen, dass ich an vielen verschiedenen Orten Freund*innen/Bekannte habe. (Macht die Sorge mal irgendwo zu wohnen, wo ich überhaupt niemanden kenne, nur halb so groß. Irgendjemand ist fast immer in erreichbarer Nähe.)
  46. Wenn Menschen mir sagen, dass sie bei Katzen (oder anderen Dingen, die ich mag) an mich denken müssen.
  47. Etwas backen und nebenbei singend durch die Küche hüpfen.
  48. Frische Bettwäsche.
  49. Wände. (Zum Beispiel: An Wänden vorbeigehen und mit den Händen darüberstreichen.)
  50. Haut, die im Sommer nach Chlorwasser und Sonnencreme riecht.

(Das waren die ersten 50 Dinge, die mir eingefallen sind. Vielleicht gibt’s irgendwann noch mehr. Reihenfolge ist zufällig.)

Pronomen und Dinge.

In gewisser Weise habe ich an meine Blogeinträge den Anspruch, dass die Gedanken darin soweit zu Ende gedacht sind, dass ich mir sicher mit dem bin, was ich schreibe, aber ich glaube, das ist gar nicht immer nötig, wenn es um persönliche Dinge geht.

Dieser Blog ist letztendlich vor allem für mich, weil es mir hilft, meine Gedanken zu sortieren und weil ich von Zeit zu Zeit gern in meiner eigenen Vergangenheit lese. Das bedeutet in erster Linie, dass hier auch Dinge festgehalten werden, die ich in Zukunft vielleicht nicht mehr so sagen würde, immerhin habe ich nicht vor, aufzuhören, mich zu verändern, mehr über mich herauszufinden und vielleicht später mal zu merken, was ein bestimmter Gedanke eigentlich bedeutet.

Dass ich mit diesem Blog meine Gedanken und meine Veränderungen mit dem Internet teile, heißt nicht, dass alles perfekt und richtig und fertig sein muss. (Ich glaube, Menschen sind nie fertig.)

Also gibt es heute einige unfertige Gedanken und ein bisschen Chaos, die schon seit Wochen in den Blogeintragsentwürfen herumgeistern.

 

Heute ist TransDayOfVisibilty. Ein wichtige Tweetkette dazu hat zum Beispiel @cuffedCatling geschrieben (anklicken und dann werden auch die anderen Tweets angezeigt).


Was hat das jetzt mit dir zu tun?

Seit einiger Zeit denke ich ziemlich viel darüber nach, was Gender für mich persönlich bedeutet und dabei habe ich gemerkt, dass es mir nicht so einfach fällt, diese Frage zu beantworten, wie ich vorher vielleicht gedacht hätte.

Kindern wird in der Regel beigebracht, dass eine Person mit Brüsten und Vagina eine Frau und eine Person mit Penis ein Mann ist und ich hab‘ das ganz lange einfach so hingenommen.

Wenn jemand gesagt hat, dass ich mich als Frau/Mädchen so und so verhalten oder anziehen oder aussehen müsste, hab‘ ich versucht, mich dem anzupassen, auch wenn es mir sehr oft nicht gefallen hat.

Als mich Menschen ärgern wollten, indem sie mich gefragt haben, ob ich ein Junge oder ein Mädchen bin, hat mir das Angst gemacht, weil das ja schließlich keine Option war.

Inzwischen weiß ich, dass ich nicht in die Vorstellungen der Gesellschaft passen muss, nur weil mein Körper so aussieht wie er aussieht.

Mein Brüste machen mich nicht zu einer Frau, sondern zu einer Person mit Brüsten. Mehr nicht.

Meine lackierten Fingernägel machen mich nicht zu einer Frau, sondern einer Person, die gerne bunte Fingernägel mag.

Umgekehrt machen mich meine kurzen Haare aber auch nicht automatisch zu einem Mann, sondern zu einer Person, die sich mit kurzen Haaren lieber mag.

Traditionell männlich/weiblich gelesene Dinge zu mögen bedeutet auch nicht automatisch, dass ich männlich oder weiblich bin.

(Ich wünschte, ich könnte dem Vergangenheitstasha sagen, dass es sich deshalb nicht fertig machen muss.)

 

Im Prinzip bin ich aktuell an einem Punkt, an dem ich mir ziemlich sicher bin, dass ich keine Frau bin, aber noch nicht weiß, was dann und ich habe gemerkt, dass ich mich auch nicht drängen muss, da ein Label zu finden, das für mich passt. Genderqueer/nonbinary ist aktuell das genauste, was ich über mich sagen kann, aber das ist okay. Für mich selbst brauche ich eigentlich auch keine Bezeichnung, weil mir persönlich Labels nicht so wichtig sind. Labels spielen für mich nur dann eine Rolle, wenn ich mich und meine Identität gegenüber anderen Menschen erklären möchte und soweit bin ich außerhalb meiner Twitter-Filterbubble sowieso noch nicht. Und auch sonst: Ich habe Zeit. (Zeit, die ich unter anderem dafür nutzen will, den internalisierten Cissexismus, den ich gegenüber anderen so gut ich kann vermeiden will, loszuwerden. Ich habe festgestellt, dass es mir leichter fällt, wenn es dabei nicht um mich geht.)

 

Und was ist jetzt mit Pronomen? 

In letzter Zeit haben mich schon ein paar Leute gefragt, wie es mit Pronomen aussieht beziehungsweise, welche Pronomen sie für mich verwenden sollen.

Da ich selbst noch nicht so lange über dieses Thema nachdenke und das Gefühl habe, Pronomen sind (für mich) zu einem Großteil Gewöhnungssache, sind sie/ihre-Pronomen weiterhin in Ordnung. Wenn ihr im Deutschen neutrale Pronomen für mich verwenden wollt, ist es für mich okay. (Anmerkung hierzu: Bitte benutzt es nie für eine Person, die das nicht direkt so gesagt hat. Es wird oft abwertend verstanden und nicht jede nonbinary Person möchte dieses Pronomen für sich verwendet sehen. Am besten einfach nachfragen, wenn ihr nicht wisst, welches Pronomen eine Person nutzt.)

Im Englischen ist she/her und Singular-they/them schön, weil es damit schon ein neutrales Pronomen gibt, das allgemein bekannt ist und verwendet wird, wenn das Geschlecht einer Person nicht klar ist.

Es kann sein, dass ich, wenn ich mich weiter mit diesem Thema beschäftige und mehr über mich herausfinde, merke, dass sich in meiner Ansicht zu Pronomen zukünftig etwas verändert, aber im Moment ist das hier der aktuelle Stand.

(Gedankenchaos im Internet verteilen? Check! (War das jetzt ein Coming-Out? Wie seltsam es sich anfühlt, für so etwas einen ganzen Blogeintrag zu nutzen und nicht nur gelegentlich Andeutungen in Tweets und Nebensätzen zu machen.))

[Pizza suchendes Tasha ab]